Kastration – ja oder nein?

Kastration – ja oder nein?

Kaum ein Thema wird in der tierärztlichen Praxis so häufig angesprochen wie das der Kastration. Und über kaum ein Thema gibt es so grundlegend unterschiedliche Meinungen. Sollten Hunde und Katzen generell kastriert werden? Wenn ja, in welchem Alter? Gilt das Gleiche für männliche wie für weibliche Tiere? Wir versuchen im Folgenden, einige der häufigsten Fragen zu beantworten und unsere ganz persönliche Einschätzung zum Thema zu vermitteln.
Kastrieren/Sterilisieren?

Als Kastration bezeichnet man das vollständige Entfernen der Keimdrüsen. Beim männlichen Tier sind das die Hoden, beim weiblichen Tier die Eierstöcke. Beim Sterilisieren werden beim männlichen Tier die Samenleiter abgebunden oder durchtrennt, beim weiblichen Tier die Eileiter. Damit bleibt das Tier beim Sterilisieren hormonell intakt, kann sich aber nicht mehr fortpflanzen.

Katzen
Katzen erreichen die Geschlechtsreife in einem Lebensalter von ca. 4-12 Monaten. Bei Rassekatzen beobachtet man häufig, dass diese erst später eintritt, wobei im Winter geborene Kätzchen häufig etwas frühreif sind.
Weibliche Katzen bezeichnet man als saisonal polyöstrisch. Das bedeutet, dass mehrere Rolligkeiten (poly – viel; östrus – Brunst) pro Jahr auftreten können, mit einer Ruhephase, meist von Oktober bis Dezember. Dieser Sachverhalt ist von der Tageslichtlänge abhängig, was bedeutet, dass Hauskatzen unter künstlichem Lichteinfluss auch das ganze Jahr über rollig werden können. Die Rolligkeit, auch Raunze genannt, macht sich für den Besitzer der Katze durch ein verändertes Verhalten bemerkbar. In seltenen Fällen gibt es auch sogenannte stille Rolligkeiten. Verhaltensveränderungen reichen zu ungewohnten Lautäußerungen bis hin zu schreien, intensiver Kontaktaufnahme zu Menschen, Begleittieren und Gegenständen. Auch Harnmarkieren wird bei einigen Katzen beobachtet. Ein Eisprung (Follikelsprung) wird bei der Katze nur durch einen erfolgten Deckackt ausgelöst. Bleibt dieser aus, folgt nach durchschnittlich 9 Tagen die nächste Rolligkeit, es kann sich auch eine Dauerrolligkeit entwickeln. Nicht gesprungene Follikel können sich leicht zu Zysten entwickeln und so zu gesundheitlichen Schäden führen. Heute geht man des Weiteren davon aus, dass die Rolligkeit besonders für die Wohnungskatze erheblichen Stress bedeutet, bei der Freigängerin ist davon auszugehen, dass sie sich auf der Suche nach Katern weit von ihrem Zuhause entfernt und dann eventuell trächtig zurück kommt.
Der Eintritt der Geschlechtsreife erfolgt bei männlichen Katzen nahezu analog zu ihren weiblichen Artverwandten. Nicht kastrierte Kater fangen meist früh an, ihr Revier (also auch die Wohnung) mit Harn zu markieren. Das dient der Abschreckung von Konkurrenz und führt zu einer erheblichen Geruchsbelästigung des Besitzers. Auch haben unkastrierte Kater meist ein größeres Revier als kastrierte Kater und neigen zum „Streunen“. Durch Revierkämpfe mit anderen Katern laufen sie nicht nur vermehrt Gefahr sich zu verletzen, einige Erkrankungen (z.B. die Feline Leukose) werden von Tier zu Tier durch infizierten Speichel übertragen.
Katzen werden erst durch die Kastration zu Haustieren. Daher empfehlen wir bei Katzen beiderlei Geschlechts, sofern sie nicht zur Zucht genutzt werden, uneingeschränkt die Kastration ab einem Alter von 6 Monaten (Einzelfälle können abweichen).

Hunde
Bei Hunden können wir solch eine pauschalisierte Aussage nicht treffen, hier muss sowohl beim männlichen als auch beim weiblichen Tier im Einzelfall entschieden werden.
Hündinnen erlangen die Geschlechtsreife mit ca. 7-14 Monaten, was durch die sogenannte Läufigkeit gekennzeichnet ist. Hündinnen sind saisonal monoöstrisch, dies führt zu einzelnen Läufigkeiten mit von Hund zu Hund unterschiedlichen Intervallen von ca. 4-12 Monaten. Zu Anfang der Läufigkeit sondert die Hündin blutiges Sekret aus der Scheide ab, was besonders bei größeren Hunden für den Besitzer meist sichtbares Zeichen der bald folgenden Empfängnisbereitschaft ist. In dieser Phase ist sie schon attraktiv für Rüden, lässt diese aber noch nicht den Deckakt vollführen. Es gibt einige Vorteile der Kastration einer Hündin zu nennen, an erster Stelle steht natürlich das Ausbleiben weiterer Läufigkeiten (Blutung, Fortpflanzung), je nach Zeitpunkt laut Studienergebnissen die Verhinderung von Mammatumoren (Brustkrebs), Vermeidung von Eierstocks- und Gebärmuttererkrankungen. Dem gegenüber stehen allerdings auch Nachteile. Die Kastration führt besonders bei langhaarigen Rassen (Setter, Münsterländer, etc.) zu einer drastischen Fellveränderung (Baby- oder Wollfell). Häufig sich entwickelnde Fettleibigkeit ist keine direkte Folge der Kastration, durch den verminderten Kalorienbedarf des kastrierten Tieres muss allerdings in Folge der Operation die Ration entsprechend angepasst werden. Besonders bei schweren Hündinnen kommt es leicht zu einer operationsbedingten Harninkontinenz, die in den meisten Fällen medikamentös behandelt werden kann.
Rüden werden oft kastriert, um unerwünschtes Rüdenverhalten (Markieren, Aggression, Streunen, etc.) zu modifizieren. Des Weiteren schützt die Kastration selbstverständlich vor Erkrankungen der Hoden, aber auch Prostatatumoren, die gutartige Prostatavergrößerung sowie Perianaltumoren sollen, laut früherer Studien, bei kastrierten Rüden weniger häufig auftreten. Nachteile der Kastration beim Rüden sind teilweise die selben wie bei Hündinnen (Fell, Fettleibigkeit).
Hat man früher festgestellt, dass die Vorteile der Kastration bei männlichen wie weiblichen Hunden gegenüber den Nachteilen überwiegen, kommt man aufgrund neuerer Studien und Metaanalysen zu weiteren Erkenntnissen. Es deutet sich beispielsweise an, dass durch die Kastration zwar das Auftreten bestimmter Tumore verhindert werden kann, das Risiko für andere Krebsarten aber deutlich steigt (Mastzelltumor, Hämangiosarkom, Lymphosarkom, Osteosarkom). Je nach Studien handelt es sich dabei um eine Erhöhung des Erkrankungsrisikos um das drei- bis vierfache. Die Datenlage zur Verhinderung von Gesäugetumoren bei der Hündin ist seit einiger Zeit unter Beschuss, bösartige Prostatatumoren beim Rüden treten bei Kastraten sogar häufiger auf.
Zu guter Letzt muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Kastration beim Hund einen chirurgischen Eingriff mit den damit verbundenen Risiken darstellt.
Gerne besprechen wir mit Ihnen gemeinsam, ob für Ihren Hund eine Kastration in Frage kommt und sinnvoll erscheint. Um der Persönlichkeitsentwicklung des Tieres nicht zu sehr im Wege zu stehen, empfehlen wir eine Kastration bei der Hündin nach Beendigung der ersten Läufigkeit, bei Rüden nach dem Vollenden des 6. Lebensmonats.

Kaninchen
Kaninchen leben in freier Wildbahn in großen Gruppen, sie sind sehr soziale Tiere und kommunizieren auf vielfältige Art und Weise mit ihren Artgenossen. Allerdings kommt es in Kleingruppen mit beschränktem Bewegungsradius, wie es bei der Privathaltung meist der Fall ist, oft zu Streitereien zwischen den Tieren. Unkastrierte männliche Kaninchen (Rammler) können grundsätzlich nicht mit anderen Kaninchen zusammen gehalten werden. Mit einem zweiten Rammler kommt es häufig zu starken Revierkämpfen, aber auch ein kastriertes Weibchen ist keine wirkliche Alternative bei der Partnerwahl, da davon auszugehen ist, dass es vom Rammler massiv bedrängt wird. Wir empfehlen eine Kastration ab der 12. Lebenswoche.

Die Kastration bei weiblichen Kaninchen ist aufwändiger als die beim männlichen Tier, da hier zur Operation die Bauchhöhle eröffnet werden muss. Da das Narkoserisiko bei Nagern im Allgemeinen nicht zu unterschätzen ist, empfehlen wir eine Kastration bei weiblichen Kaninchen nur bei klinischer Indikation (Erkrankungen der Gebärmutter, wiederholte Scheinträchtigkeit, etc.)

Meeschweinchen
Beim Meerschweinchen ist das Zusammenleben von unkastrierten männlichen Tieren (Böcken) oft nicht so kompliziert wie bei Kaninchen, weshalb „Männergruppen“ bei diesen Tieren nicht unüblich sind. Lediglich bei gemischten Gruppen von männlichen und weiblichen Tieren sollten die männlichen Tiere kastriert werden, um die unkontrollierte Fortpflanzung der Tiere zu verhindern.

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